ãTestis resurrectionisÒ

 

Heute, in dieser verworrenen Zeit, in der die Auferstehung Christi und das Fortleben nach dem Tod sowie die Auferstehung der Toten so sehr in Frage gestellt, uminterpretiert, zerredet oder total geleugnet werden wie in keiner Zeit vorher, und wo auch Theologen sich nicht scheuen, dem glŠubigen Volk die eigenartigsten Hypothesen Ÿber diese genannten grundlegenden Glaubenswahrheiten vorzutragen, da tut es sicher not, sich darauf zu besinnen, wie jeder Priester in der Nachfolge der Apostel ganz wesentlich auch ãTestis resurrectionisÒ sein muss (vgl. Apg 1,22; Apg 2,32; Apg 3,15; Apg 10,39).

P. Augustin Ršsler, ein berŸhmter Volksmissionar und religišser Schriftsteller um die Jahrhundertwende, erzŠhlt einmal (FŸrs Priesterherz, MŸnster i. W. 1907, S. 51f), wie er in den Morgenstunden eines gewšhnlichen Wochentages in das Wartezimmer eines vielgesuchten Landarztes kam. Alle PlŠtze waren besetzt. Einige MŠnner stellten eine Betrachtung darŸber an, dass der Arzt doch das beste GeschŠft habe; wŠhrend nŠmlich in anderen StŠnden so viel Ÿber GeschŠftsstockung geklagt werde, habe hier der Arzt stets Ÿber seine KrŠfte hinaus zu tun. Dem Priester aber drŠngten sich beim Anhšren dieser naiven Reden ernste Gedanken auf. Er sagte sich: Was fŸhrt wohl dem Arzt, der halbwegs einen guten Ruf hat, von allen Seiten so viele Leute zu, die dabei lange Stunden des Wartens und das oft recht sauer verdiente Geld zu opfern bereit sind? Es ist einerseits die Furcht vor dem Tod und andererseits die Liebe zum Leben! Und wie ŸberfŸllt wŠren erst alle Šrztlichen Ambulatorien, wenn die €rzte unentgeltlich und mit durchwegs sicherem Erfolg wenigstens einige Jahre ungetrŸbter Gesundheit vermitteln kšnnten! So aber legt im Grunde jeder Arzt letztlich nur Zeugnis von der Herrschaft des Todes ab, dem der Arzt schlie§lich und endlich ja doch ohnmŠchtig entgegenarbeitet. Und jeder Friedhof ist ein demŸtigendes Zeugnis fŸr die Ohnmacht der Šrztlichen Kunst, ja nicht blo§ der Šrztlichen Kunst. Schlie§lich steht ja alles menschliche Schaffen, das sich auf die grenzen dieser Zeit beschrŠnkt, fŸr sich allein betrachtet, unter der majestŠtischen Allgewalt des Todes, der mit sicherem Tritt vernichtend Ÿber alles irdische Leben hinwegschreitet und die Spuren alles irdischen Tuns zuletzt im Sand der VergŠnglichkeit und Vergessenheit verwischt. – Was wŠre nun die Geschichte der Menschheit und der einzelnen Menschen ohne die Hoffnung bzw. die Gewissheit eines Sieges Ÿber den Tod, ohne die †berzeugung von einem wahren, ewigen Leben, das nach dem Ende des irdischen Lebens beginnt? Die Geschichte der Menschheit und der einzelnen Menschen wŠre dann fŸr jeden, der tiefer denkt und strebt,  nur eine Schule der Verzweiflung! In dieser Schule der Verzweiflung aber steht der Priester da als ãTestis resurrectionisÒ, als Zeuge der Auferstehung und des Lebens! Dessen sollten sich die Priester gerade heute ganz besonders bewusst sein! Wir legen berufsmŠ§ig schon durch unsere blo§e Existenz Zeugnis ab von der Ohnmacht des Todes, so wie der Arzt umgekehrt letztlich nur ein stŠndiger Prediger von der Allmacht des Todes ist.  Der Priester als Zeuge der Auferstehung und des Lebens ist – richtig gesehen – ein Hoffnungsanker im Meer der VergŠnglichkeit, ein siegreicher FŸhrer im Kampf gegen den Tod.

ãTestis resurrectionisÒ, Zeuge der Auferstehung, so hat der ApostelfŸrst Petrus den Beruf des Apostels, des Priesters definiert (Apg 1,22). Und der Všlkerapostel Paulus fasst im Zeugnis von der Auferstehung den Inbegriff des gesamten Christentums zusammen (1 Kor 15). ãWir werden auferstehen, weil Jesus auferstanden istÒ, in dieser Wahrheit gipfelt mehr oder weniger jede apostolische Predigt.  Beim Priester kann es und darf es nicht anders sein. Wie Christus selbst der weinenden Martha mit der Ruhe zweifelsfreier Gewissheit gesagt hat: ãResurget frater tuus (Dein Bruder wird auferstehen!)Ò, so ruft der Priester als Stellvertreter des gšttlichen Lehrmeisters in das Wehklagen und Weinen der an der Sterblichkeit und VergŠnglichkeit leidenden Menschheit zu: ãWir werden auferstehen!Ò Aber als berufener Zeuge der Auferstehung tut der Priester noch mehr. Er darf und muss sich als Stellvertreter Christi so weit mit ihm identifizieren, dass er mit Christus spricht: ãEgo sum resurrectio et vitaÒ, wozu Augustinus (In Joan tr. 49) erklŠrend gesagt hat: ãIdeo resurrectio, quia vita!Ò Der Priester gie§t ja die geheimnisvolle neue, ŸbernatŸrliche Lebenskraft mit dem Taufwasser in die Menschenseele, ohne die die blo§ natŸrliche Lebenskraft des jungen Menschen ein mehr als zweifelhaftes Geschenk bliebe. Der Priester erweckt die durch die SŸnde geschwŠchte oder zum Absterben verurteilte ŸbernatŸrliche Lebenskraft des Menschen durch die Absolution im Sakrament der Bu§e zu neuer StŠrke oder stellt sogar das durch die TodsŸnde entschwundene ŸbernatŸrliche Leben wieder her mit dem an Allmacht grenzenden, dem Herrn Jesus nachgesprochenen ãTibi dico: surge!Ò

Nur vom Priester und durch den Priester erhŠlt der nach dem wahren Leben verlangende Christ das eucharistische Lebensbrot, nach dessen Genuss er getrost sagen kann: ãUnd sollte ich in Todesschatten wandeln, so werde ich doch kein Unheil fŸrchten, weil du, das Leben, bei mir bist!Ò Der Priester tut in der AusŸbung seines Berufes eigentlich nichts, was nicht in irgendeiner Weise Zeugnis gibt von dem nie endenden wahren, ŸbernatŸrlichen Leben. Und er darf dabei vor allem in der Sakramentenspendung lebenspendend und lebenbewahrend tŠtig sein in der Kraft Christi, dessen Werkzeug er ist. Und diesen lebenspendenden und lebenbewahrenden Beruf unentgeltlich ausŸben, weil der SchlŸssel zum Quell des Lebens ihm mit den Worten anvertraut wurde: ãGratis accepistis, gratis date!Ò Sollte so gesehen der Priester nicht eigentlich die gesuchteste Persšnlichkeit der Welt sein? Die vollen Wartezimmer der €rzte dŸrften eigentlich nur ein schwaches Bild jener TŠtigkeit sein, die der Priester, auch der einfachste Dorfpfarrer in der kleinsten Bergpfarre, tŠglich zu verrichten hat im umgekehrten Sinn, weil er nicht, wie der Arzt, der Ohnmacht des Todes gegenŸbersteht, sondern im Dienste der Allmacht des Lebens, des wahren, eigentlichen, ewigen Lebens steht! Der heilige Pfarrer von Ars, der bis zu 16 Stunden tŠglich im Beichtstuhl zubrachte, ist ein solches Beispiel dafŸr, wie der Priester ãTestis resurrectionisÒ im Dienste des Lebens steht.

Oft stehen aber leider die Tatsachen im Widerspruch zur dargelegten Wahrheit. Liegt der Grund fŸr die Einsamkeit des Priesters und fŸr den Mangel an Nachfrage nach seiner priesterlichen, lebenspendenden und lebensbewahrenden TŠtigkeit immer nur in der Versunkenheit der Menschen ins Irdische, Materielle, VergŠngliche? Die Schuld trŠgt leider gar manchmal auch der Priester selbst, weil ihm die †berzeugtheit von der Wichtigkeit seiner priesterlichen TŠtigkeit abhanden gekommen ist. Wir sollten wieder viel viel mehr aus innerster †berzeugung als Prediger des ewigen Lebens, als Spender des ewigen Lebens, als FŸhrer zum ewigen Leben auftreten! Wir sollten wieder viel mehr Ernst machen mit unserem Beruf! Gewiss ist es heute in dieser Zeit des materiellen Wohlstands oft sehr schwer, fŸr den Auferstehungsglauben und fŸr die †berzeugung vom ewigen Leben das nach dem †berschreiten der Todeslinie seinen Anfang nimmt, den rechten Widerhall im Menschenherzen zu wecken. Und doch ist eigentlich der Auferstehungsglaube in seiner Grundlage unzerstšrbar trotz allem Unglauben, der sich heute breitmacht. Es ist so vielsagend, wie gegen Ende der franzšsischen Revolution, als sie ihre eigenen Kinder zu fressen begann, die RevolutionŠre selber, die nun zur Guillotine gefŸhrt wurden, sich auf dem Gang dorthin durch Platons Phaidon zu tršsten suchten. Es war das ein trauriges Zeichen vom entchristlichten Zustand der damaligen gebildeten franzšsischen Gesellschaft.  Es lag darin aber auch ein Beweis dafŸr, wie das Menschenherz letztlich vom Glauben an ein Fortleben nach dem Tod, also vom Glauben an ein ewiges Leben nicht loskommt und dass dem Menschenherzen die ãZeugen der AuferstehungÒ unentbehrlich sind. Die UnglŠubigen, die damals zur Hinrichtung gefŸhrt wurden, schšpften Trost aus der armen Zisterne des platonischen ãPhaidonÒ, statt aus der sprudelnden, frischen Quelle des Evangeliums Todesmut und Todesbereitschaft in vollen ZŸgen zu trinken im glŠubigen Wissen um die Auferstehung und das ewige Leben! Es fehlten diesen armen Menschen weithin die ãZeugen der AuferstehungÒ. Denn die echten waren verbannt oder zur UntŠtigkeit verurteilt oder schon hingemordet. Die unechten aber, die pflichtvergessenen, die den Eid auf die Zivilkonstitution geleistet hatten und dem Rationalismus der AufklŠrung verfallen waren, waren unfŠhig geworden, wahre ãZeugen der AuferstehungÒ zu sein. Wiederholt sich das nicht zum Teil wieder in unserer Zeit? Zeugnis von einem festen Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben gibt ja derjenige kaum, der die Grundwahrheiten des Christentums von der Auferstehung Christi, von der Auferstehung der Toten und vom Fortleben des Menschen nach dem Tod im ewigen Leben rationalistisch uminterpretiert und, in einer total verkehrten Bekehrung zur Welt seinen Priesterberuf verratend oder verleugnend, die Freuden und Bequemlichkeiten des vergŠnglichen irdischen Lebens nach KrŠften zu genie§en sucht.... Eine gewisse GeringschŠtzung der sogenannten Lebensfreuden, ein bestimmter Grad von Weltverachtung und von dem, was wir frŸher ohne falsche Scham Askese nannten, ist schlie§lich unbedingt erforderlich, wenn der priesterliche Prediger eines Lebens nach dem Tode dem gegenŸber das Leben vor dem Tod nur Schatten und Vorspiel, nur Elend und Leid ist, Erfolg haben will. Wir wollen wahrlich keine jansenistische Strenge und keine manichŠische Weltflucht predigen, aber wir mŸssen uns nun einmal an das Beispiel Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, halten, der in Wort und Tat gepredigt hat, dass der Weg zum ewigen Leben der Auferstehungsherrlichkeit unbedingt durch die Nacht eines gekreuzigten Lebens hienieden gehen muss. Wenn das noch glŠubige Volk den Priester in dieser Wohlstandsgesellschaft bescheiden und anspruchslos und nicht auf letzten Komfort und Luxus ausgehend leben sieht, dann wird das glŠubige Volk jedenfalls am Priester selbst nicht allzu leicht ein Hindernis finden, ihm zu glauben, wenn er von den ãewigen WohnungenÒ redet und predigt, die der Auferstandene uns bereitet hat. Und wenn in unserer Zeit ein UnglŠubiger oder im Glauben an das jenseitige ewige Leben Angefochtener sieht, wie Priester und Ordensleute sich aufopfern in der Sorge um die Notleidenden, um die Armen und Kranken und treu und gewissenhaft ihre Berufspflichten erfŸllen, so werden solche Menschen wenigstens dies eine bekennen mŸssen:  Dieser Priester, dieser Ordensmann, diese Ordensfrau glaubt tatsŠchlich selber noch an ein ewiges Leben! Ob ein solcher unglŠubiger oder im Glauben Zweifelnder dasselbe von einem Priester sagen wird, den er in jeder weltlichen Gesellschaft, bei jeder Unterhaltung, bei jedem VergnŸgen und wŠre es noch so ausgefallen und sinnlich, mitmachen sieht? NatŸrlich wird all das – und wŠren es auch ausgelassenste Tanzveranstaltungen und Partys (heute sogar schon in manchen Priesterseminaren) – als ãunschuldige FreudeÒ hingestellt, die zur Persšnlichkeitsentfaltung notwendig sei. Wie aber nicht nur GlŠubige, sondern auch UnglŠubige daran €rgernis nehmen und in ihrem Glauben an das jenseitige ewige Leben von solchen ãZeugen der AuferstehungÒ erschŸttert werden, das bedenkt man nicht! Apostolisch im Sinn des Beispiels und der Worte der Apostel ist das sicher nicht. Es sei nur an jene klaren Worte erinnert, die im 1 Petr 4,1-4 stehen: ãHat Christus im irdischen Leben gelitten, so wappnet auch ihr euch mit derselben Gesinnung! Wer im Leben durch Leiden ging, hat abgeschlossen mit der SŸnde, um die ihm noch verbleibende Zeit des irdischen Wandels nicht mehr den menschlichen Begierden, sondern dem Willen Gottes zu leben. Lange genug wŠhrte die vergangene Zeit, um den Willen des Heidenmenschen auszuleben, sich gehen zu lassen in Ausschweifungen und LŸsten, in Trunkenheit, Schmausereien, Gelagen und verwerflichem Treiben.... nun empfinden sie es sonderbar, dass ihr nicht mehr mit ihnen in derselben heillosen Ausgelassenheit mittut, und sie schmŠhen euch...Ò So sicher bringt der lebendige Auferstehungsglaube eine GeringschŠtzung der irdischen Freuden mit sich, dass der ApostelfŸrst Petrus hier die Verachtung derselben und den Verzicht auf sie als Erkennungszeichen der ersten Christen gegenŸber den Heiden angibt. Heute aber wollen sogar Priester nichts mehr wissen von Verzicht und Askese in ihrer verschiedenen Form (etwa beginnend mit Konsumaskese beim Fernsehen und Šhnlichen Gelegenheiten) und reden von Bekehrung zur Welt und ihren vergŠnglichen Freuden! Das ist aber nicht die religišs-sittliche Haltung, wie sie einem ãTestis resurrectionisÒ geziemt! Wer heute den Weltmenschen nicht mehr in Wort und Tat Abtštung und Verzicht zu predigen wagt, sondern meint, alles, auch die Freuden der Ehe, unbedingt genie§en zu mŸssen, der taugt freilich nicht als ãZeuge der AuferstehungÒ. Wer das wirksam sein will in unserer in Materialismus und Genuss versunkenen Zeit, der muss sich das zu eigen machen, was man in der ršmischen Kirche Santa Sabina einem Priester als Zeugnis dafŸr auf den Grabstein schrieb, dass er es mit seinem Beruf, ãTestis resurrectionisÒ zu sein, allzeit ernst genommen hat; es hei§t dort von diesem Priester: ãMoriens ut viveret – vixit ut moriturusÒ!

Ist es nicht fŸr uns Priester zu tiefst beschŠmend, dass in unserer Zeit, in der sich unsere Reihen lichten, weil MitbrŸder um des Weibes und der sexuellen Freuden willen ihren Beruf aufgeben, Laien, ja sogar Nichtkatholiken mutiger und offener fŸr das Jenseits und fŸr die Ewigkeit und fŸr das Fortleben nach dem Tod ihr Zeugnis ablegen als wir, denen das von Berufs wegen als Aufgabe zusteht? Mir kam da beispielsweise ein sehr erfreulich klares Wort von Wernher von Braun, dem bekannten Fachmann fŸr Astronautik, unter:

ãIn unserer modernen Welt scheinen viele Menschen zu glauben, die Wissenschaft habe ãreligišse GedankenÒ unzeitgemŠ§ gemacht und man mŸsse sie daher als Ÿberholt betrachten. Die Wissenschaft hat jedoch gerade fŸr den religišsen Skeptiker eine gro§e †berraschung bereit: Sie sagt eindeutig, dass in unserer Welt nichts – nicht einmal das kleinste Teilchen – verschwinden kann, ohne eine direkte Spur zu hinterlassen. Denken Sie einmal einen Augenblick darŸber nach und Ihre Gedanken Ÿber Sterblichkeit und Unsterblichkeit werden niemals mehr die gleichen sein! Die moderne Wissenschaft sagt, dass nichts wirklich spurlos verschwinden kann. Die Wissenschaft kennt keine totale Auflšsung oder Vertilgung. Alles, was sie kennt, ist Verwandlung. Wenn Gott dieses fundamentale Grundprinzip auch auf das unbedeutendste Teilchen eines grenzenlosen Universums anwendet, ist es dann nicht mindestens vernŸnftig, zu vermuten, dass dieser gšttliche Grundsatz auch fŸr sein Meisterwerk, die menschliche Seele, Anwendung findet? Alles, was mich die Wissenschaft lehrt – und nicht aufhšrt mich zu lehren -, bestŠrkt mich in meinem Glauben an die Fortsetzung unserer Existenz nach dem Tod. Denn nichts verschwindet, ohne eine Spur zu hinterlassen, und Vergehen ist nur Verwandlung!Ò